Die lateinische Sprache im Mittelalter  

Definition MA- Latein: 

Anschluß an Spätlatein, Ablösung durch Neulatein =>Betrachtung der Latinität grob zwischen 500 und 1500  

Christliches Latein: Christliche Gemeinde: sozial eher tieferstehende Schichten => Formenstrenge nicht wichtig, Sprache dokumentiert radikale Erneuerung des menschlichen Lebens; Wille, dem Volk verständlich zu sein Bibelübersetzungen: 
- Vetus Latina = früheste Übersetzungen der griechischen Bibel (ab 2. Jhd.) 
- Hieronymus ( gest. 420 ): Bearbeitung => VULGATA

Lateinische Liturgie:  Geformtheit der Rede in christlichen Bereich gebracht; die Messfeier begleitende Gebete: zunächst liturgische Improvisation
Seit der Karolingerzeit: Vereinheitlichung nach römischer Liturgie
Deren Kennzeichen: Strenge, getragene Sprache der Gebetstexte, liturgische Gesänge mit biblischen oder bibelnahen Texten
Belebung der Gottesdienste durch Dichtung besonders an Feiertagen in der Messe : festlicher Gesang , psalmodierende Poesie => strenge Regeln;
In Spätantike: Chr. Dichter benützen Elemente der heidnischen Epik + Lyrik => Modelle , im MA verwendet 

Stellung des Latein im MA:

Standes - und Fachsprache des Klerus => Bildungssprache ; Sprache der europ. Literatur
Mündlich verwendet: daher nur wenig bekannt ( Schriftlatein wesentlicher )
è "Vatersprache" des MA ( zweisprachig , Latein in der Literatur bevorzugt )
Basis: lateinische Hochsprache ( wie sie im 2. Jhd. n. Chr. von christlichen Autoren verwendet wurde)

Vulgärlatein:

Nie niedergeschrieben (zumindest nicht so wie gesprochen) , da immer Sprachwissen des Schreibers
Verbindung : Chr. Latein & Vulgärlatein wegen zahlreicher Quellen für Vulgärlatein im frühen Christentum;
Heute angenommen : " Urromanisch" / " festes Vulgärlatein" (einheitliche Sprechsprache im ganzen Reichsgebiet ) => Differenzierung ( Beginn : 5. - 7. Jhd. )

Höfisch - ritterliche und Vagantendichtung
Für kleines, gebildetes Publikum ; Vagantendichtung volkstümlicher : lateinisch , dennoch Kontakt zum Volk (Gesang) ; Vagant von "vagari`` => umherziehende Studenten ohne festes Einkommen
Themen : Verherrlichung von Liebe , Wein , Würfelspiel => gegen Ideale von Kirche & Rittertum 

 

Sprachlandschaften des Lateinischen ( 1. Hälfte des MA ):

Gallien
Frühe Entwicklung einer Volkssprache ; Wiederherstellen der Normen der lateinischen Hochsprache
Im Hoch - MA : Ausbildung des Altfranzösischen im N und des Altprovenzalischen im S
Latein der Merowingerzeit : Zerfall / zunehmender Einfluß des Fränkischen und des Germanischen
Seit Mitte 8. Jhd. : sprachliche Reformen (in Herrscherurkunden dokumentiert )
Unter Karl dem Großen : Einführung der "karolingische Minuskel``=> Hofschrift des fränkischen Reiches

Italien
Herrschaft der Ostgoten : Blühende Kultur
Ab 568 : Landnahme der Langobarden => Verfall der Bildungseinrichtungen ( bis 700 )
Sprechsprache langsam und wenig von Schriftsprache differenziert ; wenig gepflegte Sprache
Bezug auf Sprache der chr. Spätantike ; Latein nur mäßig von Langobardischem geprägt

Iberische Halbinsel
Latein schon lange heimisch ; Fortsetzen bis in frühes MA; unter den Westgotenkönigen Wiederaufleben der spätantiken Kultur
711: Sieg der Araber über Westg. => Maurenherrsch. => tolerant, trotzdem Stagnation , Vorrang der arab. Kultur
600-800 : kein großer Unterschied mehr zwischen Latein & Volkssprache im größten Teil der Halbinsel
Hoch-MA : gepflegte latein. Sprache (11. Jhd.: Aufschwung), volksnahes Gebrauchslatein, iberoroman. Dialekte

England
43 n. Chr. : röm. Truppen erobern S => romanisiert
Anfang 5. Jhd. : Ansiedeln von Germanen => im S Sachsen ; im N Angeln ; röm. Kulturreste vernichtet
6. / 7. Jhd. : Missionierung & Christianisierung Latein & Volkssprache stark getrennt , trotzdem hat das Latein Englands kaum individuelle Züge 1066: normannische Eroberung => Oberschicht : anglonormannisch => Latein Vermittler zwischen Angelsächsischem und Anglonormannischem

  Irland
Außerhalb des röm. Reiches => trotzdem Latein bei der Christianisierung (5. Jhd.) adaptiert => nur auf kirchl. Lehre und Praxis ausgerichtet ; Wechselwirkungen Lat. - Volkssprache gering
Irisch:  hoch entwickelte Literatursprache => Konkurrenz im geistig - liter. Bereich

Deutschland

Zumindest zu Beginn : kaum Eigengewicht , da sehr wenig einheitlich

 

Weitere Ausdehnung in der 2. Hälfte des MA: 
Mitte + 2. Hälfte : v. a. in N und europäischem O - SO ,
Verbreitung des (nach-)karolingischen Lateins ; Volkssprache kaum Einfluß auf Lat. ; erst spät schriftfähig è Lat. als anspruchsvolle geistige Kommunikationssprache
Zögernd verbreitetes lat. Schrifttum => oft regionale Bedeutung

 

Überregionale Funktion des Lateinischen:
Durch karol. Bildungsreform : Gefüge von schriftsprachl. Normen ; im 12. Jhd. Rückbezug auf klass. Antike è Nachahmung von: Vergil , Ovid in der metrischen Dichtung / Cicero in der Prosa
einheitlich => versch. Wirkungen : persönl. Stil nach Vorbildern / einförmige Handhabung der Sprache
Gründe für die Einheitlichkeit: wissenschaftlicher Fachsprache  (scholastische Latinität) 
Regionen auch so wechselseitig durchdrungen : Internat. Bettel - & Ritterorden ,Mobilität d. Einzelnen,intern. Lehrbetrieb => Verbreitung des jeweiligen Umgangs mit Lat.è Mündlichkeit neuen Stellenwert , da Zwang zu überregionaler Verständigung => Unterricht auf lateinisch

 

Stilistisches: 

Schreibung
Karolingische Bildungsreform : weitgehendes Wiedererreichen des antiken Lautstandes , trotzdem teilweise keine ausreichende Regelung ( z. B. in der Verwendung von ae und e )

Morphologie ( Formenlehre )
Lateinische Beugungsmuster gebrochen : Substantive der 4. Dekl. ( u- Dekl. ) oft wie die der 2. ( o- Dekl. ); oft innerhalb einer Dekl. Kasusformen vertauscht; auch bei Verben Vermischung der Konjugationen

Syntax
Eventuelle spätantike Zweitformen nun stark verbreitet ( mehr als klass. Formen ); keine feine Unterscheidung der Tempora mehr ; Vermischung der refl. & nicht - refl. Pronomina; Transitivierungen
Deponentia mit aktiven Formen - Verben mit aktiven Deponentienformen
è nicht nur Annäherung an Volkssprache , sondern "gelehrte`` Bildung nach antiken Erscheinungen

Wortbildung
Keine Hemmungen , Worte neu zu bilden è nach antiken Ableitungs - & Kompositionsschemata
Aber auch unübliche Bildungen
Viele Wörter mit einem griechischen Bestandteil ; rein griech. Wörter "lateinisiert"